code flow - events

Digitaler Dachstock 2

luncheon on the grass - postproduction by code flow

ein Projekt von code flow (Dimitrina Sevova & Alain Kessi)

Kuratorin: Martina Weber

17 August - 17 November 2006

at the Digitaler Dachstock of Haus für Kunst Uri

(the museum will be closed from 25 September to 20 October)

Erklärung der Kuratorin

whitmanDas Künstlerkollektiv code flow sucht in ihren neuen Videoarbeiten nach schon bestehenden  Bildvorlagen, die sie mitunter mit kulturgeschichtlichem und sozio-kulturellem Hintergrund in einen neuen Kontext transferieren. Dabei agieren sie als PerformerInnen, TexterInnen und TheoretikerInnen, um mit den neuen Medien, in sich abgeschlossene Bildzeichen neu zu definieren. Ihre neu angelegte Videoarbeit luncheon on the grass – postproduction by code flow (2006) beginnt mit gefilmten Grashalmen, die sich sanft im Wind bewegen, darüber legen sich Verse aus Walt Whitmans Grashalmen (1855-1892). Kurz darauf erscheint ein Video, ein nachgestelltes Bild von Edouard Manets Werks Frühstück im Freien (1862/63) mit einer als Mann verkleideten Frau und einem Mann, die im Grünen picknicken, zuvorderst sitzt ein junger nackter Mann in modellhafter Pose. Dieses Remake eines Werkes entspricht somit nicht ganz der Realität, wurden doch die Rollen vertauscht. Diese Postproduktion spielt laufend mit Zitaten und Referenzen von Konventionen auf textlicher, bildlicher und musikalischer Ebene auf und verwertet somit eigenständige Bilderfragmente zu einer verdichteten Neuinterpretation des schon Bestehenden. Mit ihrer Sammlung an Bildinhalten, die durch sie verändert werden, wie im Fall der Performance des Frühstücks im Freien, generieren sie gezielte Fragestellungen zur Geschlechterdiskussion und den Geschlechterstereotypen und ihrer Darstellung in der Gegenwartskunst.

In ihrem zweiten Videofilm altdorf sightseeing tour – your guide: code flow (2006) reflektieren sie ihre Position als TouristInnen (Touristenführer), die Altdorf besuchen, und spielen mit der Vorstellung der Künstler, die sich in die Natur begeben, um neue Kreativität für die Arbeiten zu finden. Eine Sequenz aus dem Film Beyond the Clouds von Michelangelo Antonioni und Wim Wenders, thematisiert das Kopieren von bestehenden Werken, und dessen Legitimität und Sinnfrage im heutigen Kunstverständnis. Der Film knüpft an die Verwirrungen des ersten Videos mit Geschlechterstereotypen und den Erwartungen des Betrachters an. Die darauf folgende Diaschau von den örtlichen Sehenswürdigkeiten, den Souvenirs in den Schaufenstern, der Architektur und der umgebenden Landschaft schafft eine Parodie auf den touristischen Blick, und spielt mit der Herstellung von Bildern und digitalen Reproduktionen. Was schafft das Künstlerkollektiv in eigener Sache neu und wo bedient es sich vorgefertigter Produkte? Die Fotos, eine Kopie von Ansichtskarten? Eine subtil- ironische Geste zur Frage der Autorschaft. Im Zeitalter der Postproduktion gibt es keine Kopie und kein Original.

Welche Rolle spielen wir, wann und wo? Diese Frage kristallisiert sich ganz deutlich beim Video von Dimitrina Sevova sex male sex female (1997) heraus, eine Doppelprojektion von männlichen und weiblichen Personen, die ihren alltäglichen Schönheitspflegeritualen nachgehen. Die Gleichzeitigkeit der Bilder beider Geschlechter, die unterschiedlicher nicht sein könnten, mit Geräuschkulisse aus Sexvideos unterlegt, überfordert den Betrachter visuell und akustisch und führt schlussendlich die traditionellen Bilder von Mann und Frau ad absurdum. Eine Parodie auf festgefahrene Klischeebilder, die sich durch ihre Fülle wie von selbst in Frage stellen und sich dadurch demontieren.

In merry-go-round (1998) und three short videoportraits (1999), beide Kurzvideos von Dimitrina Sevova, ist eine ähnliche Dekonstruktion des Bildinhalts und der visuellen Darstellung am Werk. Im ersten Video wechseln die Bilder eines Jahrmarkts mit den sich drehenden Karussellschaukeln zu einem in rot gehaltenem Portrait eines Mannes in rasantem Tempo. Assoziative Aneinanderreihungen von einem schlafenden Kind, einem Liebesakt und dem Jahrmarkt bilden eine lose Einheit. Eine Bildergeschichte, die im Kontrast von Intimität und Alltäglichem steht. Beim zweiten Video vermischen sich die Textinformationen mit den Fotos und Filmsequenzen dreier Frauen Mutter, Tochter und Enkeltochter, die gemeinsam in einer kleinen sozialistischen Vorstadtwohnung in einem Plattenhaus wohnen, so stark, dass Bild und Text nicht unabhängig voneinander gesehen werden können. Die Fakten stehen exemplarisch für die jeweilige Generation und zeigen doch drei individuelle Lebensläufe. Die Künstlerin untersucht Frauenbilder und zeigt deren Manipulationsmöglichkeit in der Bilder-, und Mediendarstellung auf.

In the second video, the textual information mixes so strongly with the photos and film sequences of three women, mother, daughter and grand-daughter living together in a small socialistic suburb apartment in a panel block, that image and text cannot be seen independently from each other. The facts stand exemplarily for the respective generation and nevertheless show three individual life stories. The artist analyses images of women and shows the possibilities for manipulating them in their image and media representation.

Somit bewirken die Arbeiten und künstlerischen Konzepte von code flow einen kritischen und differenzierten Umgang mit den Medien.

Alle erwähnten Arbeiten von code flow werden als Projektion, jene von Dimitrina Sevova auf Monitor gezeigt. Einsehbar ist ihre Webseite unter www.code-flow.net

Martina Weber (*1975, Basel) Künstlerin, lebt und arbeitet in St. Gallen und Basel. 2005 Diplom Bildende Kunst, HGK Basel. 2005 Leitung Kunstraum Schalter, Basel, in Zusammenarbeit mit Eva Theiler und Erhard Sigrist. 2004 Regionale, Plug_in, Basel. 2004 Hundertfrankenshow, exex, St. Gallen. 2005 „Auswahl 05“, Aargauer Kunsthaus, Aarau, Werkbeitrag. 2006 „Le temps élastique“, Ausstellungsraum Klingental, Basel. www.kuenstlerarchiv.ch  www.likeyou.com/martinaweber

Bitte lesen Sie auch den Artists' Statement von code flow.

Und beachten Sie die Links zu Online-Arbeiten von code flow.